Trotz Handicap und Corona zu neuer Stelle

Beispiel aus dem Kreis Unna zeigt die Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung – aber auch für Arbeitgeber

Kreis Unna. Der internationale Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember rückt jährlich die Situation von Menschen mit Handicap ins Blickfeld der Öffentlichkeit und setzt ein deutliches Zeichen für mehr Teilhabe. Ricardo Hoheisel Velazquez aus Kamen ist ein gutes Beispiel aus der Region.

Der 23-Jährige ist von Geburt an nahezu gehörlos, kann aber über ein Cochlea-Implantat grundsätzlich Gespräche führen. Nach dem Schulabschluss mit Mittlerer Reife machte er eine Ausbildung zum Metallbauer Konstruktionstechnik in einer außerbetrieblichen Ausbildungsstätte der Handwerkskammer Dortmund GmbH.

Die EBH Hageneier GmbH in Kamen ist ein Betrieb für Metallverarbeitung im Stahl/Edelstahlbereich, einschl. CNC-Bearbeitung, Lasertechnik. Des Weiteren ist EBH im Bereich Prozess- und Steuerungstechnik sowie Industrie-, Brandmelde- und Alarmanlagen tätig. Zurzeit hat EBH sieben Vollzeitbeschäftigte und elf geringfügig Beschäftigte. Vor rund einem Jahr suchte der Betrieb einen Konstruktionsmechaniker mit Potential.

Für Berater Michael Cyrus von der Agentur für Arbeit war es ein glückliches Zusammentreffen: „Das Stellenangebot der Firma EBH kam genau an dem Tag, als ich die künftigen Möglichkeiten für Ricardo prüfte, der zu dem Zeitpunkt in seiner Ausbildung schon auf der Zielgeraden war. Ich dachte mir, das könnte passen.“

Zunächst vereinbarte man eine dreimonatige Probebeschäftigung, die durch die Arbeitsagentur gefördert wurde. Ricardo bedient drei unterschiedliche CNC-Maschinen. Hinzu kamen Gewinde schneiden sowie Kant- und Sägearbeiten. Geschäftsführer Rainer Hageneier zeigt sich zufrieden: „Herr Hoheisel macht seine Arbeit sehr gewissenhaft und sorgfältig. Er ist flexibel, fleißig und engagiert. Trotz der Hörbehinderung funktioniert es richtig gut“, und so wurde er zum 1. Mai – noch während des ersten Corona-Lockdowns – unbefristet als Konstruktionsmechaniker eingestellt. Ricardo war trotz seines Handicaps der einzige aus seiner Ausbildungsgruppe, der im direkten Anschluss eine Beschäftigung aufnehmen konnte. Für die ersten 18 Monate zahlt die Arbeitsagentur einen Eingliederungszuschuss in Höhe von 50 Prozent des Arbeitsentgelts.

Für Thomas Helm, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Hamm, liegen die Vorzüge der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung auf der Hand: „Viele gute Beispiele zeigen, dass Arbeitnehmer mit Behinderung und Arbeitgeber gleichermaßen von einer Einstellung profitieren. Der technische Fortschritt und die Digitalisierung tragen überdies dazu bei, dass viele Tätigkeiten leichter und behindertengerecht, zugleich aber hocheffektiv ausgeführt werden können. Eine stärker automatisierte, vernetzte und digitalisierte Arbeitswelt bietet gerade für Menschen mit Behinderung in vielen Bereichen neue oder bessere Chancen auf einen passenden Arbeitsplatz.“

Im November waren im Kreis Unna 1.425 schwerbehinderte Menschen arbeitslos gemeldet. Ihre Zahl stieg im Corona-Jahr um 4,8 Prozent und damit deutlich geringer als die Arbeitslosigkeit insgesamt mit 10,4 Prozent. Für Thomas Helm nachvollziehbar: „Schwerbehinderte Arbeitslose sind durchschnittlich besser qualifiziert als Arbeitslose ohne Schwerbehinderung.“ Ein Blick auf potenzielle Einsatzbranchen zeigt: Die meisten der 5.072 beschäftigten Menschen mit Schwerbehinderung arbeiten im Verarbeitenden Gewerbe, im Handel, im öffentlichen Dienst und in der Verwaltung sowie im Gesundheits- und Sozialwesen.

Für Thomas Helm boten sich 2020 für schwerbehinderte arbeitslose Menschen trotz Pandemie viele Chancen auf dem Arbeitsmarkt: „Bisher konnten im Jahresverlauf 740 von ihnen mit Hilfe und teilweise finanzieller Unterstützung der Arbeitsagentur den Weg in eine Ausbildung, Maßnahme oder Erwerbstätigkeit finden. Dass dies auch in einem besonderen Jahr wie diesem möglich war, zeigt, dass Arbeitgeber immer aufgeschlossener werden und gerne mit unseren Beratungsfachkräften nach individuellen Lösungen suchen, Menschen mit Handicap einzustellen. Denn sie wissen, dass die Fähigkeiten die vorhandenen Einschränkungen in der Regel mehr als kompensieren.“
Ricardo Hoheisel Velazquez hat es gezeigt.

Quellenangabe: https://www.kamen-web.de/,
Geschrieben von Redaktion am  Veröffentlicht in Lokalnachrichten

Ricardo Hoheisel Velazquez hat trotz Hörbehinderung kein Problem bei der Arbeit an den CNC-Maschinen bei Fa. EBH GmbH in Kamen. Foto: Agentur für Arbeit